E.S.T.
Esbjörn Svensson Trio
Das Esbjörn Svensson Trio ist ein Phänomen: Ein Jazztrio, das sich selbst wie eine Popband versteht, die Jazz spielt, das die traditionelle Konzeption von Bandleader und Sidemen zugunsten eines völlig gleichberechtigten Agierens aufgehoben hat, das nicht nur in Jazzclubs auftritt, sondern auch Säle füllt, die eigentlich eher Rockgruppen vorbehalten sind, das seine Liveshows gerne mit Lichteffekten und Nebelschwaden begleitet und es schafft, sein Publikum dazu zu animieren, am Ende eines Abends Jazzstandards wie "Bemsha Swing" von Thelonious Monk mitzusingen, sprengt den Rahmen dessen, was man sich landläufig unter einer klassischen Jazztrioformation vorstellt. In Schweden findet E.S.T. regelmäßig Eingang in die Pop-Charts, seine Videos laufen auf MTV Scandinavia und mit seiner eigenständigen Klangwelt, die Jazz mit Drum&Bass-Grooves, elektronischen Elementen, funkigen Rhythmen oder Anleihen aus Rock, Pop, aber auch europäischer E-Musik einfallsreich verknüpft, hat sich E.S.T. eine Zuhörerschaft erobert, die vom klassischen Jazzfan bis zur HipHop-Jugend reicht. Mit Preisen überschüttet, eint das Trio Kritiker und Publikum von Europa bis nach Amerika in der Überzeugung: E.S.T. ist eine der innovativsten Jazzbands der Gegenwart.
Offenheit, Neugier und auch ein wenig Zufall gehören zu Esbjörn Svenssons künstlerischen Wurzeln: "Ich spiele Klavier, weil wir kein anderes Instrument zu Hause hatten. Schlagzeug wäre mir eigentlich lieber gewesen. Als Jugendlicher bastelte ich mir zum Beispiel aus alten Farbeimern ein Set zusammen und versuchte so zu klingen wie "Sweet" mit "Ballroom Blitz". Aber dann kam Magnus Öström mit seinen Trommeln und ich blieb beim Klavier. Denn wir sind gemeinsam aufgewachsen und haben von Anfang an zusammen Musik gemacht. Als Magnus sein erstes Schlagzeug geschenkt bekam, stellte er es bei mir auf und wir spielten los. Wir hatten keine Ahnung wie das ging, aber es machte Spaß. So konnte sich unsere Musik über lange Zeit auf sehr individuelle Art entwickeln, weil wir keine Lehrer hatten und uns niemand sagte, wie wir spielen sollten."
Heute greift Esbjörn Svensson in den Flügel, zupft an den Saiten auf der Suche nach dem Klang der Gitarre, experimentiert behutsam mit perkussionistischen Akzenten und taucht in die Weite des orchestral inspirierten Gestaltens ein. Aufmerksam auf die passende Balance der musikalischen Mittel bedacht, integriert er elektronische Momente der Soundoptimierung in seine Vorstellung musikalischer Kreativität. Und er ergänzt sie mit harmonischen Neuerungen, melodisch überraschenden Variationen und eingängigen Motiven. Seine Musik ist ein Kunstwerk, das keine stilistische Sicherheit beansprucht und daher umso mehr aus sich heraus wirken kann.
Esbjörn Svensson wurde 1964 im schwedischen Västeras geboren. Seine Mutter spielte klassisches Klavier, sein Vater liebte Ellington und im Radio hörte er Hits der boomenden Popmusik. Zu High School Zeiten nahm er drei Jahre Klavierunterricht und formierte seine ersten Bands. Vier Jahre Studium an der Universität in Stockholm verhalfen Svensson daraufhin über die autodidaktischen Erfahrungen hinaus zum nötigen handwerklichen Fundament, um aus der jugendlichen musikalischen Unbekümmertheit kreatives Selbstbewusstsein wachsen zu lassen. Zu den einheimischen Einflüssen wie Jan Johansson gesellten sich Vorbilder von Chick Corea bis Keith Jarrett, deren jeweilige stilistische Besonderheiten er in seine persönliche Vorstellung von jazziger Klangraumgestaltung einfließen ließ.
Seit Mitte der achtziger Jahre etablierte sich Svensson zunächst als inspirierter Sideman in der schwedischen und dänischen Jazz-Szene. 1990 gründete er sein eigenes Trio, aber erst 1993, als er bei einem Gig den Kontrabassisten Dan Berglund kennen lernte, bekam er den nötigen Auftrieb, um sich mit einer CD der Öffentlichkeit zu präsentieren. Er war fasziniert von Berglunds variantenreicher Gestaltungskraft und konnte ihn für seine Band gewinnen. Noch im selben Jahr debütierte das Esbjörn Svensson Trio mit When Everyone Has Gone (Dragon) und 1995 folgte der Live-Mitschnitt Mr. & Mrs. Handkerchief (Prophone), der im restlichen Europa sechs Jahre später unter dem Titel E.S.T. Live '95 herauskam.
Mitte der neunziger Jahre hatte sich das Trio bereits einen Namen in seiner Heimat gemacht und dies führte 1996 zu einem Plattenvertrag mit der eher Pop orientierten Plattenfirma Superstudio Gul / Diesel Music, die noch im selben Jahr EST Plays Monk herausbrachte, das sich in Schweden schnell mehr als 10.000 Mal verkaufte. Der begabte Klaviernewcomer begann Preise zu sammeln. Er wurde 1995 und 1996 in Schweden zum Jazzmusiker und 1998 zum Songwriter des Jahres gewählt. Das 1997 erschienene Album Winter In Venice, das fast ausschließlich aus Eigenkompositionen besteht, wurde darüber hinaus mit einem schwedischen Grammy ausgezeichnet.
Gemeinsam mit Musikern wie Alex Riel, Mads Vinding, Victoria Tolstoy ("White Russian", Blue Note 1997) und vor allem Nils Landgren wurde Esbjörn Svensson über die Grenzen Skandinaviens hinaus bekannt und sorgte 1998 maßgeblich dafür, dass das Konzert der Nils Landgren Funk Unit zu einem der Höhepunkte des Jazzfestivals in Montreux wurde.
Mit dem im Jahr 1999 herausgegebenen From Gagarin's Point Of View setzte E.S.T. einen Meilenstein in seiner Karriere. Durch die Verbindung zu dem deutschen Label ACT und mit den Auftritten auf der Jazz Baltica und beim Montreux Jazz Festival kam auch der lange überfällige internationale Durchbruch.
Ein Jahr später erschien Good Morning Susie Soho, das E.S.T. den Titel "Trio of the Year" (Jazzwise, UK) einbrachte und mit dem sich die Ereignisse dann nochmals überschlagen sollten. Das Trio tourte unter dem Titel "Rising Star" durch ganz Europa, spielte auf allen wichtigen Festivals und gleichzeitig wurde Sony Columbia in den USA auf E.S.T. aufmerksam und brachte eine erste CD des Trios in Amerika heraus.
Strange Place for Snow heißt das aktuelle Album der Band, mit dem E.S.T. 2002 auf einer neunmonatigen Welttournee unterwegs war. Pünktlich zur US-Veröffentlichung der CD im Juni ging es auch in die Vereinigten Staaten und Kanada. Mit dem Satz: "One of the hottest jazz acts in Europe today", kündigte das US-Magazin Downbeat die dreiwöchige Tour des Trios an, die es in die einschlägigen Jazz- und Avantgarde-Clubs von New York, Chicago, Washington, Seattle, San Francisco und Los Angeles wie auf die großen Festivals in Boston, Toronto, Vancouver und Montreal führte. Die französische Schauspielerin, Drehbuchautorin (8 Frauen) und Regisseurin Marina de Van wählte das aktuelle Album als Soundtrack ihres ersten Spielfilms Dans ma Peau, der Anfang Dezember in den französischen Kinos angelaufen ist. Gleichzeitig entstand unter ihrer Regie ein Videoclip zu "Serenade of the Renegade" - einem der betörendsten Stücke aus Strange Place for Snow.
Zum Jahresende wurde der Erfolg von Album und Tournee von mehreren Preisen, darunter dem "Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik", dem "Jazz Award", der Auszeichnung "Choc de l'année" der Zeitschrift "Jazzman" gekrönt. Im Januar 2003 wurde E.S.T. darüber hinaus nicht nur mit einer „Victoire du Jazz“ - dem französischen Grammy - als „Beste Internationale Künstler des Jahres“ ausgezeichnet, sondern erhielt auch den „Spezialpreis der MIDEM“, der nur an einen einzigen Act vergeben wird.